… das wahrscheinlich passendste erste Wort für meinen ersten Artikel auf diesem Blog. Und das womöglich wichtigste französische Wort überhaupt!
Ein Wort das Türen öffnet
Die Franzosen haben im Ausland häufig den Ruf, arrogant und wenig offen gegenüber Ausländern und/oder Fremdsprachen zu sein. Das mag für einige zutreffen, aber meiner Meinung nach sind die meisten Franzosen einfach verunsichert von Fremdsprachen. Franzosen legen tendenziell sehr großen Wert auf korrekte und saubere Sprache. Die Idee in einer ihnen fremden Sprache Fehler zu machen, behagt ihnen im Allgemeinen wenig. Daraus resultiert dann häufig eine Abwehrhaltung, die von den Betroffenen, also den Ausländern, als Arroganz oder Unfreundlichkeit ausgelegt wird.
Dieses Wissen hilft nun eventuell ein bisschen, die Reaktionen besser zu verstehen, es löst jedoch die entstandene Situation nicht. Was kann ich also tun?
Egal wo (Bäckerei, Frage nach dem Weg etc.), beginne die Ansprache IMMER mit „Bonjour“.
Dieses Wort öffnet Türen. Es ist das mit Abstand wichtigste Wort in der französischen Sprache für jeden Ausländer – und die Franzosen selbst!
Und wenn ich sage „immer“, dann meine ich auch „immer“. In Deutschland ist es durchaus üblich und nicht zwingend unhöflich, ein Gespräch zum Beispiel mit einer Verkäuferin mit einem einfachen „Entschuldigen Sie bitte“ zu beginnen. Also zum Beispiel: „Entschuldigen Sie bitte, wo finde ich den Käse?“. Darauf wird man im Normalfall eine befriedigende Antwort erhalten.
In Frankreich hingegen wird man sich wahrscheinlich umdrehen und Dein „Excusez moi…“ mit einem in vorwurfsvollem Ton vorgetragenen „Oui, Bonjour!?“ beantworten und Dich so wissen lassen, dass man Dich für das unhöflichste Wesen auf diesem Planeten hält. Stellt man der Frage jedoch ein simples „Bonjour!“ voran, ändert sich das Verhalten der angesprochenen Person normalerweise dramatisch. Und das gilt in vielen Fällen auch, wenn das Französisch ansonsten eher schlecht ist.
Als ich ankam, war mein Französisch, um es freundlich auszudrücken, grottig. Vor unserem Umzug durfte ich noch in Deutschland an einem interkulturellen Training teilnehmen und war also bezüglich der unterschiedlichen Gepflogenheiten zumindest gewarnt.
Bei meinen ersten Besuchen in meiner lokalen Bäckerei (in einer Gegend mit wenig bis keinen Touristen) hatte ich dann Gelegenheit, die anderen Kunden in der Schlange vor mir zu beobachten. Und siehe da, bevor es mit der Bestellung losging hörte ich jedesmal „Bonjour“ beantwortet von mit einem „Bonjour Madame“ oder “Bonjour Monsieur“. Ich war also an der Reihe, sagte brav „Bonjour“ (when in Rome… naja, Ihr wisst schon) und bestellte mühsam mit den vorher eingeübten Sätzen, was ich wollte.
Und natürlich verstanden sie am Anfang nicht richtig, was ich wollte und ich verstand ihre Rückfragen nicht. Aber ich hatte immer das Gefühl, dass sie sich zumindest Mühe gaben. Und da ich jeden Tag wieder kam, hatte man sich nach kurzer Zeit aneinander gewöhnt. Zugegebenermaßen half auch die Tatsache, dass ich so gut wie immer in Begleitung meines damals 5 Wochen alten Sohnes war – Franzosen lieben Babys. (Aber dazu mehr in einem anderen Artikel.)
Was ich sagen will: wenn man sich ein wenig Mühe gibt bekommt man meist freundliches Verhalten als Lohn zurück.
Hilfreiche Sätze für den Start
„Bonjour!
„Je suis desolée, mais mon français n’est pas très bon…“
„J’aimerais… deux Croissants, s’il vous plaît.“ (oder was auch immer Du haben willst)
„Merci“
„Excusez-moi?“ / „Pardon?“ (wenn Du etwas nicht verstanden hast)
„Au Revoir“ / „Bonne journée“
Wenn Du es knuspriger magst, bestell ein Tradition (das ist ein Baguette mit einer knusprigeren Kruste als das „Baguette“)
Kommunikation in Frankreich
Das oben gesagte basiert natürlich nicht ausschließlich auf meinen eigenen Erfahrungen. Es existieren zahlreiche Publikationen zB. in Form von online Artikeln oder Videos (wie das oben eingefügte von france24), die sich mit dieser Eigenheit beschäftigen. Ganze Bücher existieren zum Thema (zum Beispiel„The Bonjour Effect: The Secret Codes of French Conversation Revealed“ von den kanadischen Autoren Julie Barlow und Jean-Benoit Nadeau).
Und alle sind sich darüber einig, dass dem kleinen Wort „Bonjour“ in Frankreich eine große Bedeutung zukommt.
Es ist die Ankündigung, dass Du mit jemandem sprechen möchtest. Du betrittst damit sozusagen sein Territorium und eröffnest die Konversation.
Natürlich enden die Auseinandersetzungen nicht bei diesem Wort. Es stellt lediglich den Einstieg dar, in die Erläuterungen der allgemeinen Unterschiede in Kommunikation und Gestus.
Interessant ist, dass alle diese Artikel und Bücher die ich online gefunden habe und die sich mit der Kommunikation im Alltag beschäftigen in englischer Sprache verfasst sind.
Bei meiner Google Suche auf Deutsch bin ich lediglich auf Seiten gestoßen, die hilfreiche Sätze für einen Frankreichurlaub anbieten, ähnlich dem, was man in Reiseführern findet. Eine Auseinandersetzung mit den kulturellen Eigenheiten bzw. Unterschieden habe ich nicht gefunden.
Die englischen und amerikanischen Autoren (häufig Blogger und/oder Auswanderer, die in Frankreich leben) setzen sich hingegen intensiv mit diesen Themen auseinander. Hier gibt es nicht nur Erklärungen sondern auch konkrete Tipps, wie man sich als Nicht-Franzose richtig verhält. Welche gewohnheitsbedingten Verhaltensweisen nicht gut ankommen und was man statt dessen tun sollte.
Auf Deutsch habe ich lediglich ein paar Artikel gefunden, die sich mit den interkulturellen Unterschieden in der Kommunikation am Arbeitsplatz auseinander setzen. (Bestätigung eines Klischees?)
Selbstverständlich gehe ich davon aus, dass es mehr als genug Literatur zum Thema gibt, aber eben nichts, was man auf den ersten Seiten der Google Suche leicht zugänglich finden würde.
Solltet Ihr also Blogs, Bücher oder sonstige Artikel kennen, die sich mit den privaten alltäglichen Unterschieden zwischen Deutschen und Franzosen – ohne den Fokus auf das Arbeitsleben zu legen – befassen, freue ich mich über entsprechende Nachrichten oder Kommentare.
Kommunikation im beruflichen Umfeld
Ganz allgemein muss man wissen (und akzeptieren), dass die Codes der Kommunikation in Frankreich anders funktionieren als im deutschsprachigen oder auch im anglophonen Raum. Und das gilt sowohl für den privaten als auch für den beruflichen Umgang. Franzosen kommunizieren im Gegensatz zu uns Deutschen eher implizit. Das bedeutet, dass Botschaften indirekt verpackt werden. Man könnte auch sagen, es wird mehr „durch die Blume“ oder „diplomatischer“ kommuniziert (wenn man nett sein will, wenn man nicht nett sein will, könnte man sagen: unklar).
Franzosen fühlen sich durch unsere deutsche (direkte bzw. explizite) Art, die viele Informationen beinhaltet, häufig überfahren. Sie sind genervt von unserem Detailreichtum und fühlen sich nicht ernstgenommen.
Deutsche hingegen müssen sehr genau hinhören, wenn Franzosen mit ihnen sprechen. Die Mitteilungen hängen oft vom Zusammenhang ab und bedürfen der Interpretation. Viele Deutsche, die sich in einem professionellen Umfeld in Frankreich bewegen haben oft das Gefühl, ihnen werden Informationen vorenthalten.
Mehr Hintergrund und gute Tipps zur Verbesserung der Kommunikation findet Ihr dazu in dem Artikel auf der Plattform connexion-emploi: Kommunikation im deutsch-französischen Kontext: wie man Missverständnisse im Beruf vermeidet – Die interkulturelle Kommunikation im deutsch-französischen Umfeld )
Ein Beispiel aus meinem interkulturellen Training ist zum Beispiel die Erstellung einer Präsentation für einen Pitch. Ich erinnere mich gut an die Mammut-Präsentationen meiner alten Agentur, die teilweise bis zu 200 Slides umfassten und jedwedes Szenario beleuchteten. Am Ende der Präsentation lag das Projekt bis ins letzte Detail umrissen vor den potentiellen Auftraggebern. Das ist die Basis für Entscheidungen.
In Frankreich wäre ein solches Vorgehen schlicht unmöglich. Hier wird zunächst die Idee in einer kurzen Präsentation möglichst enthusiastisch vorgetragen um das Publikum mitzureissen, auf seine Seite zu ziehen und von der Idee zu überzeugen. Danach geht man essen, um sich ein bisschen kennen zu lernen. Und wenn es passt (Sympathien, Projektentwurf etc.) geht man danach in die Details.
Das ist natürlich alles sehr verkürzt und vielleicht ein bisschen überzogen (zum besseren Verständnis) vorgetragen, aber nach 3 1/2 Jahren in Frankreich kann ich sagen, in der Mehrzahl der Fälle trifft es zu.
Abschließend – und das ist meine persönliche gänzlich subjektive Erfahrung – ist eine gewisse Anpassung und Nachahmung der Schlüssel zu Freundlichkeit. Ich habe bisher keinerlei xenophobe Erfahrungen gemacht (und ich hoffe, das bleibt so). Die meisten Menschen waren bis dato extrem hilfsbereit und freundlich zu mir. Und sollte das jemals anders sein, habe ich mir vorgenommen diese unerfreulichen Exemplare (die es im Übrigen überall auf der Welt gibt) einfach zu ignorieren!
Ihr habt Fragen oder wollt etwas beitragen? Ich freue ich über Nachrichten und Kommentare!
Ein Kommentar zu “Bonjour! Willkommen in Frankreich”